Was studierst du?
Ich studiere im Master-Programm Global Political Economy der Uni Helsinki.
Wie kam es zu dem Entschluss, in Finnland zu studieren?
Das hatte verschiedene Gründe. Meinen ersten Kontakt zu Finnland hatte ich in der Oberstufe während eines zweiwöchigen Comenius-Austausches in Helsinki. Ich habe mich in meiner Gastfamilie sehr wohl gefühlt und habe sie auch nach dem Austausch in Finnland des öfteren besucht. Ich habe auch in Deutschland nach einem passenden Master-Studiengang gesucht, aber mit einem Ingenieurs-Abschluss einer Fachhochschule wäre es für mich schwierig geworden, für ein sozialwissenschaftliches Fach die Zulassung der Uni meiner Wahl zu bekommen. Deutsche Universitäten sind ziemlich auf ihren Status bedacht!
Wie ist das Studentenleben in Finnland? Was gefällt dir besonders?
Rundum gut! Ich bin froh, hier in Vollzeit genau das studieren zu können, was ich möchte. Die Leistungen für Studierende machen das Leben ziemlich einfach. Ich lebe in einer Studenten-WG in guter Lage, meine Miete beträgt 340 Euro. Darin sind Wasser und Strom enthalten sowie die Möglichkeit, die Waschmaschine, den Fitnessraum und die Sauna im selben Gebäude zu nutzen. Das ist super!
In den Uni Café-Mensen können Studierende Essen von guter, gesunder Qualität zu vernünftigen Preisen bekommen. Und dann möchte ich noch den Uni-Sport erwähnen: Eine Jahres-Mitgliedschaft kostet 130 Euro und umfasst den Zugang zu einer großen Bandbreite an Sportkursen.
Ich habe ja das Glück, dass ich hier auch schon Leute kannte und dadurch eine Art „Sicherheitsnetz“ habe. Die Finnen haben ihre sozialen Kontakte zwar hauptsächlich untereinander, aber es ist nicht unmöglich, sie näher kennenzulernen. Und alle sprechen gut Englisch! Ich habe viele neue Freunde gewonnen. Ich habe immer das Gefühl, dass man sich um mich kümmert.
Die Gesundheitsversorgung der Studierenden ist hier auch viel besser als in Bayern, wo ich herkomme.
Wie finanzierst du dein Studium?
Ich habe einen Online-Teilzeitjob bei einer deutschen Firma. Studium und Arbeit zu kombinieren, lief bei mir bisher ganz gut.
Hat dich irgendetwas überrascht – im Guten oder im Schlechten?
Ich persönlich hatte bisher keine wirklichen Probleme, aber ich kenne Studierende, die beispielsweise wegen ihrer Hautfarbe oder ihres ethnischen Hintergrundes schlecht behandelt wurden. Zurzeit herrscht unter den internationalen Studierenden wegen der Pläne der neuen Regierung auch generell ein Gefühl der Sorge. Studierende aus Ländern außerhalb der EU leben mit der Unsicherheit, ob sie in Finnland bleiben können oder nicht. Das ist ein Teufelskreis: Arbeitgeber trauen sich wegen dieser Unsicherheit nicht, Leute aus Nicht-EU-Ländern anzustellen, gleichzeitig brauchen diese Menschen aber eine Arbeit, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Das beunruhigt zurzeit viele.
Welche Tipps würdest du für ein Studium in Finnland geben?
Ich würde raten, sich so bald wie möglich einen Termin beim Melderegister (engl. DDV Digital and Population Data Service Agency) zu besorgen, um sich registrieren zu lassen! Ohne Registrierung ist vieles sehr schwierig; man kann zum Beispiel keine Studentenermäßigung für den ÖPNV in Anspruch nehmen oder ein Bankkonto eröffnen. Man braucht für fast alle digitalen Transaktionen ein Bankkonto. Die Bürokratie ist genauso wie in Deutschland, nur auf digitale Weise! [lacht]
Außerdem kann ich nur empfehlen, sich so bald wie möglich in einen Finnisch-Sprachkurs einzuschreiben. Dadurch kann man bestens neue Leute kennenlernen und Grundkenntnisse in Finnisch erwerben.
Und dann sollte man sich mit Finn*innen befreunden, die einen in ihr mökki [dt. Sommerhaus] einladen! Die Natur in Finnland mit seinen „tausend Seen” ist wunderschön. Es ist einfach toll, dass man im Wald Blaubeeren sammeln und diese dann auch gleich verarbeiten kann – ohne sie gründlich zu waschen oder sogar abzukochen wie in Deutschland.
Für Stadtmenschen hat Finnland wohl nicht so viel zu bieten, muss ich zugeben – obwohl ich Helsinki wirklich mag. Wenn du dich für schöne Städte und bemerkenswerte Architektur interessierst, ist Finnland nicht so vielversprechend wie die Länder in Mitteleuropa, würde ich sagen.
Wie sieht deine Zukunft momentan aus?
Im Politik-Sektor gäbe es die für mich interessantesten Jobs vermutlich entweder in Berlin, Brüssel oder Straßburg. Letzten Sommer habe ich ein Praktikum im Deutschen Bundestag gemacht. In Finnland ist es fast unmöglich, eine Arbeit in der Politik zu bekommen, wenn man nicht gut Finnisch spricht. Momentan möchte ich doch in Finnland bleiben, wegen meiner finnischen Freundin. Eine ernsthafte Option könnte für mich sein, meinen Doktor zu machen.
Text: Riikka Maukonen
Übersetzung: Marion Holtkamp
Das vollständige Interview ist auf Deutsch, Finnisch und Englisch abrufbar.
Pidempi versio haastattelusta on luettavissa saksaksi, suomeksi ja englanniksi instituutin blogissa: “Minulla on ollut koko ajan tunne, että minusta välitetään” - Suomen Saksan-instituutti (finnland-institut.de)
Das Finnland-Institut bietet Studien- und Praktikumsberatung für Studierende, die sich für Finnland interessieren. Kontakt: studium@finstitut.de, 030-403631890.